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Aus den Archiven: DIE ERSCHAFFUNG DES HEILEN MENSCHEN (Reprise AW 36/1976)
filmtitel
de
episodentitel
de
serientitel
de
29/1983
00:07:46
1983
2000017990
Farbe
kurzfilm
tonfilm
Österreich
de
Austria Wochenschau
Safety Positiv
35mm
sasa
Lichtton Mono
Normalbild (1:1,37)
1
Solang man nichts weiß, ist vieles möglich. Die Not wird mit Ideen besiedelt. Und wenn einem zu wenig einfällt, poliert man Gesichter und Einfälle auf neuen Glanz. Es ist überhaupt ein Wunder, daß man schon Zeit dafür hat. Aber nach einem Debakel ist nichts dringender, als recht bald wieder auf irgendwas stolz sein zu können. Man räumt weg, was kaputt ist, rasiert Bärte, die aus der Mode kommen, und experimentiert am neuen Menschen. Er soll heil und schön sein. Die Zeitknappheit ist so schlimm, daß man sich aus Ungeduld sogar die Musse nimmt, in mühevoller Arbeit die Ergebnisse wirklicher Arbeit vorwegzunehmen. Der Drang in die Zukunft wird dabei so heftig, daß man sich für diese mit jeglichem Material zufrieden gibt. Besonders bevorzugt ist allerdings Filmmaterial. Für die Um- und Nachwelt wird gefilmt, daß gegessen wird. Lang gegessen. Die Besatzungsmächte bieten ein dekoratives Schauspiel. Der Weg soll direkt vom Dritten Mann zum vollen Tisch führen. Und wer sich's nicht leisten kann, soll wenigstens im Kino eine Insel besonders selig Essender sehen. So erhält das zukunftsträchtige Modell konkreten Inhalt und Fülle. Nur das äußerliche Auftreten schwankt noch zwischen Fortschritt und Tradition. Der entscheidenden Wiederentdeckung des Preis-Schnapsens stehen ungeahnte Entwicklungen gegenüber: Der neue Mensch soll sich mit immer moderneren Mitteln in die Zukunft bewegen. Das Vertrauen in Erfindergeist und Technik soll jenen Teil des Selbstbewusstseins stärken, der die Vergangenheit weniger heil überstanden hat. Auch die politische Welt stellt man am liebsten nur friedlich dar: Tito putzt Churchill die Zigarrenasche vom Sakko, und Stalin lächelt lieb. Die Algerier feiern noch mit ebensoviel Verehrung wie Begeisterung ihre französischen Kolonialherrn und denken nicht an Freiheit. Alle Umstände scheinen die Erschaffung des neuen, heilen Menschen zu begünstigen. Nach Wien kommen wieder Engerln und Lichtreklame und selbst im Winter muss die Kleidung nicht nur vorhanden und warm, sondern auch noch modisch sein. Schon setzt auch der Massensport ein und entwickelt sich rapid vom Selbertun zum Zuschaun weiter, um die wachsende Sättigung sitzend zu beweisen. Wie das Bier kauft man auch die Eisrevue umso lieber, wenn sie Kronen trägt. Glanz und Flitter entsprechen endlich wieder dem inneren Dekor. Aber unvermutet leistet sich die Welt - zum Glück in erheblicher Entfernung - den Koreakrieg. Bevor der neue, heile Mensch seinen Kopf in den Sand steckt, braucht er eine tadellose Frisur, mit der er sich auch als Vogel-Strauss-Taktiker sehen lassen kann. Doch die Arbeit, von der die Meisterwerke der Frisur- und Modeschöpfer bezahlt werden müssen, zeigt und sieht man nicht gern. Es gibt noch Not und wo die Lösung für sie fehlt, wird der Traum vom Überfluss erfunden, produziert und vorgespielt: Nach Arbeitsschluss wird die kleine Verkäuferin zur grossen Dame. Die Voyeure sind ein schlecht verkleideter Schauspieler, eine Kamera und damit ein zahlendes Publikum, das in Illusionen investiert. Wenn den lebensnotwendigen Bedürfnissen Grimassen geschnitten werden, kommt es zu Szenen, die weniger gern gesehen werden. So kann endlich die Produktion für eine heilere Zukunft ungestört laufen. Für Normalabweichungen sind Korrekturmöglichkeiten vorgesehen. Man rollt sich jung, man rollt sich gesund, man rollt sich schlank. Beim entgegengesetzten Problem wird dank einer neuen Erfindung aufgeblasen, mit dem Lippenstempel die letzte Perfektion erreicht und der neu geschaffene Mensch kann in seine neu geschaffene Umwelt einziehen, die durch Massenproduktion bald für alle erschwinglich sein soll.
erstauffuehrung
1983-07-22
Österreich
1976