USA I: Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky in Washington. NEW YORK. Stadt der Gegensätze

8/1983

Bruno Kreisky, Ronald Reagan

Washington D.C. - Hauptstadt der Vereinigten Staaten, heimliche Hauptstadt der westlichen Hemisphäre. Hier gehört die Politik zum Alltag und Staatsbesuche werden beinahe mit Routine und Gelassenheit zur Kenntnis genommen. Aber es gibt auch Ausnahmen. Der Besuch Bundeskanzler Kreisky's ist so eine Ausnahme. Begrüssung auf der Andrews-Airforce-Base durch Staatssekretär Eagleburger, dann beginnt ein dichtes Besuchsprogramm für den Bundeskanzler. Der mit Spannung erwartete Höhepunkt dieser USA-Visite ist natürlich das erste Treffen zwischen US-Präsident Reagan und Bundeskanzler Kreisky im Oval-Office des Weissen Hauses. In einem fast 2-stündigen Arbeitsgespräch zwischen Reagan und Kreisky steht die Lage im Nahen Osten und in Polen im Mittelpunkt. Der Bundeskanzler informiert Reagan auch über seine jüngste Aussprache mit PLO-Chef Arafat. Von beiden Seiten wird betont, dass es keine Reibungspunkte im Verhältnis zwischen den USA und Österreich gibt. In einer anschließenden Stellungnahme würdigt Präsident Reagan dann die Rolle Bundeskanzler Kreisky's in der internationalen Politik und sagt wörtlich: "Ich freue mich, daß auch ich, so wie die 7 amerikanischen Präsidenten vor mir, die Möglichkeit hatte, mit Kanzler Kreisky zu einem Meinungsaustausch zusammenzutreffen." Reagan unterstreicht dann nochmals das gute und cooperative Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und Österreich. Bundeskanzler Kreisky betont in seiner Rede das problemlose Verhältnis beider Staaten. Österreich sei immer noch dankbar für das, was die USA in den letzten 35 Jahren für Österreich getan haben. Denn all das begründet die unerschütterliche Freundschaft zwischen der großen Demokratie der USA und der kleinen Republik Österreich. Während sich Ronald Reagan mit der neuen US-Botschafterin in Österreich Helene van Damm den Fotografen stellt, eilt der Bundeskanzler zu seinen nächsten Terminen. Es sind fast ausschließlich Pressekonferenzen und Interviews. Das Interesse der amerikanischen Medien am Bundeskanzler ist groß. Auch hier beschäftigt sich der größte Teil der Fragen mit Kreisky's Rolle im Nahen Osten. Vor dem internationalen Presseclub zitiert Kreisky dann Oscar Wilde: "Es gibt keine indiskreten Fragen nur indiskrete Antworten, wobei er hoffe, alle Fragen beantworten zu können." Kreisky hat bei diesem Besuch nicht nur viele Fragen beantwortet, sondern auch dazu beigetragen, Österreichs Beziehungen zu den Vereinigten Staaten zu festigen und weiter auszubauen. New York - die glitzernde Metropole am Hudson-River. New York, das Synonym für das große unendliche Amerika. Aber New York ist nicht Amerika - New York ist die Stadt der großen Unterschiede, der krassen Gegensätze. Nirgendwo anders ist die Grenze zwischen Arm und Reich so dünn wie hier. Und nirgendwo anders ist Armut und Verzweiflung so spürbar wie in der New Yorker Bowery - der Hauptstraße der Vergessenen. Mit einem Fernglas könnte man vom Restaurant im 107. Stock des World Trade Centre die Mission des Christian Herald sehen, Heimat und Mittagstisch für 400 von rund 50.000 New Yorker Obdachlosen. Aber die da oben, haben kein Interesse an denen da unten. Dieser Mann ist aus New Jersey, er kam nach New York, weil hier die Versorgung besser ist. Und wie lange ist er schon arbeitslos ? Seit einem halben Jahr sagt er, als ob das ganz selbstverständlich wäre. Doch New York dreht sich und glitzert wie eh und je. Die neuesten Automodelle sind eine Attraktion, von Wirtschaftskrise und Depression spricht hier keiner. Über 30 Millionen Amerikaner leben unterhalb der offiziellen Armutsgrenze, 300.000 leben buchstäblich auf der Straße. Hier gehört der Rolls Royce ebenso zum alltäglichen Straßenbild wie die eislaufenden Müßiggänger im Rockefeller-Centre. Sie alle haben ein Motto: "The Show must go on !"